Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos diskutierten Ökonomen auch über Ökonomik und stellten neue Ideen für die Wirtschaftswissenschaft vor. Gerald Braunberger hat Sie im FAZ-Wirtschaftsblog vorgestellt. So richtig vom Hocker hauen mich die Überlegungen nicht.
So soll die Theorie des Unternehmens modernisiert werden – löblich. Aber mit Milton Friedman als Bezugsrahmen etwas fragwürdig. Vom Chicago-Boy stammt die These, dass ein Unternehmen als Ziel nur die Gewinnmaximierung verfolgen sollte: „Dem lag die Idee zugrunde, dass alleine der Aktionär einen variablen Anspruch an das Unternehmen hat. Läuft es gut, profitiert der Aktionär. Läuft es schlecht, sinkt der Aktienkurs. Sowohl Anleihegläubiger als auch Beschäftigte hatten in Friedmans Diktion feste Ansprüche an das Unternehmen wie Zinsen (Anleihegläubiger) oder Lohn (Beschäftigte). Unser Ökonom in Davos bezeichnete Friedmans Konzept als ökonomisch im Prinzip überzeugend und damit als Referenz geeignet, aber auch als zu eng. Er gab zu bedenken, dass es neben den Aktionären auch noch andere Gruppen gibt, die langfristig in ein Unternehmen investieren, zum Beispiel treue Lieferanten oder Arbeitnehmer, die nicht wechseln. Er regte an zu überprüfen, ob die Theorie des Unternehmens nicht in diesem Sinne breiter mit Blick auf alle Parteien, die langfristig in ein Unternehmen investieren, ausgearbeitet werden sollte“, so Braunberger.
Nun ja. Das geht besser. Was der Ökonom da in Davos als im Prinzip überzeugend bezeichnet, ist ja nun von vorgestern. Merkwürdigerweise hat sich in der Wissenschaft von den Unternehmen wie auch im allgemeinen Bewusstsein eine Ansicht durchgesetzt, Moral und Wirtschaft getrennt zu betrachten oder gar als Gegensatzpaar zu sehen, kritisiert Professor Reinhard Pfriem. Eine Beteiligung an der Mitgestaltung des politischen Gemeinwesens oder gar eine soziale Verantwortung dafür wird den Unternehmen mit dem Verweis auf ihre reduzierte ökonomische Funktion der Gewinnmaximierung abgesprochen. Zu den Stichwortgebern dieser vulgärkapitalistischen Sichtweise zählt eben Ökonomienobelpreisträger Friedman mit der Formel: „The social responsibility of business is to increase its profits.“
Diese Deutung der unternehmerischen Rolle und Aufgabe stellt eine Vorstellung dar, die nicht minder politisch und mit bestimmten Wertvorstellungen aufgeladen sei als alle anderen, so Pfriem. Wer schon eine Theorie des Unternehmens neu denkt, sollte doch auch direkt den Friedman ad acta legen.
Noch eine Idee: Erforscht die Ökonomik des Rentiers: „Viele Menschen zeigen sich über den politischen Erfolg von Populisten erstaunt. Wer sich intensiver mit dem Prekariat in Industrie- und Schwellenländern befasst, wird nicht erstaunt sein. Ein Problem sind die erheblichen Teile des BIP, die als Vergütungen an Menschen gehen, die man als Rentiers bezeichnen könnte. Darunter gibt es viele Menschen, die Bezüge aus der Verwertung geistigen Eigentums beziehen. Allein im Jahre 2016 wurden mehr als 3 Millionen Patente in der Welt angemeldet. Geld, das über Jahre an die Eigentümer dieser Patente gezahlt wird, steht nicht als Arbeitseinkommen für die Menschen zur Verfügung, die im Arbeitsleben stehen. Das trägt zur Einkommensungleichheit, zur Bildung eines Prekariats und damit zum politischen Populismus bei“, schreibt Braunberger. Geht schon in die richtige Richtung.
Einen Schritt weiter geht, was für eine Überraschung, der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof. Er hat gerade in seinem jüngsten Opus „Beherzte Freiheit“ eine kritische Haltung zum schrankenlosen Finanzkapitalismus formuliert. Der Finanzmarkt werde immer mächtiger. Er spekuliere auf den Niedergang von Staaten, auf den Niedergang von Unternehmen und „wenn sich dieser Niedergang tatsächlich ereignet, verdient daran der Spekulant. Da frage ich, durch welche Leistung hat dieser Spekulant seinen Gewinn verdient? Durch überhaupt keine Leistung. Ich spreche mich nachdrücklich für eine Transaktionssteuer aus, weil wir eine Gerechtigkeitslücke haben“, erläutert Kirchhof im Interview mit dem Deutschlandradio Kultur.
Prinzipiell werde ein Umsatz mit der Umsatzsteuer belastet, aber die Finanzumsätze sind steuerfrei. „Auch der Finanzmarkt muss einen Beitrag für das Gemeinwesen leisten“, fordert Kirchhof.
Eine tolle Idee, die sich doch prima mit einer weiteren Idee verbinden lässt, die in Davos artikuliert wurde: Gebt der narrativen Ökonomik eine Chance. Narrative können nicht nur das politische Verhalten der Menschen beeinflussen, sondern auch ihr wirtschaftliches, betont Braunberger. „Wäre es nicht schlecht, dies analysieren zu können?“
Auch das ist ja nichts Neues. Die anderen Ideen, die in Davos vorgestellt wurden, sind kalter Kaffee. Schickt doch mal andere Ideengeber zum Weltwirtschaftsforum. Etwa Professor Uwe Schneidewind vom Wuppertal Institut. Oder wie wäre es mit Papst Franziskus: „Der Spekulant liebt sein Unternehmen nicht, er liebt die Arbeiter nicht, er betrachtet das Unternehmen und Arbeiter nur, um Profit zu machen“, so Papst Franziskus. Flankierend sagt Reinhard Kardinal Marx, Leiter des päpstlichen Wirtschaftsrates: „Die Wirtschaft muss einem Ziel dienen. Wie Kommt dieses Ziel zustande? Durch den Markt selber? Durch die Kapitalinteressen kommt das Gute heraus? Das ist doch pure Ideologie“, so Kardinal Marx. Alle versuchen ihre persönlichen Gewinne zu erreichen und dann komme die gute Welt heraus. „Das ist doch nicht wahr. Es kommt mehr Ungleichheit heraus“, kritisiert Kardinal Marx.
Auf diese Dialoge wäre ich gespannt. Vorschläge könnte doch auch die Next Economy Open vom 26. bis 28. November entwickeln.