
“Wissenschaftler stellen neue Hypothesen auf. Journalisten wittern eine gute Geschichte. Küchenchefs ergänzen die Speisekarte um ein neues Gericht. Ingenieure in der Fabrik versuchen herauszufinden, warum eine Maschine nicht mehr richtig funktioniert. Steve Jobs und seine Kollegen bei Apple eruieren, was für einen Tablet-Computer wir uns wirklich wünschen. Viele dieser Tätigkeiten werden von Computern unterstützt und beschleunigt, aber keine wird von ihnen gesteuert”, schreiben Eric Brynjolfsson und Andrew McAffee in ihrem Buch „The Second Machine. Wie die nächste digitale Revolution unser aller Leben verändern wird“
Sie prognostizieren, dass Menschen, die viele gute, neue Ideen haben, auch künftig noch längere Zeit einen relativen Vorteil gegenüber digitaler Arbeit haben werden, und diese Menschen werden begehrt sein. Mit anderen Worten glauben die MIT-Forscher, dass Arbeitgeber jetzt und noch eine geraume Zeit bei der Talentsuche dem Rat folgen werden, der dem großen Aufklärer Voltaire zugeschrieben wird:
„Beurteile die Menschen eher nach ihren Fragen als nach ihren Antworten.“
Ideenbildung, Kreativität und Innovation werden oft als „Blick über den Tellerrand“ beschrieben, und diese Charakterisierung weist auf einen weiteren großen und ziemlich nachhaltigen Vorteil menschlicher gegenüber rein digitaler Arbeit hin.
Allerdings ist dieser Vorteil nicht in Stein gemeißelt, wenn wir uns die schwache Digitalkompetenz von Führungskräften in Wirtschaft und Politik anschauen.
Auch das Bildungssystem gibt noch nicht die richtigen Antworten für die Mensch-Maschine-Kombination. Es kommt jetzt darauf an, die Fähigkeiten zur kreativen Bildung von Ideen, Mustererkennung und zur komplexen Kommunikation auf die Agenda zu setzen. Es geht um die Einbindung der Menschen als Wissensarbeiter in die neuen Mensch-Maschine-Organisationen.
Die Grundbildung konzentriert sich auf das sture Auswendiglernen von Fakten und auf die Lese-, Schreib-und Rechenkompetenz. Der Erziehungswissenschaftler Sugata Mitra hat eine provokative Erklärung für die Betonung des Auswendiglernens. In einer Rede bei der TED-Konferenz berichtete er darüber, wann und warum diese Fertigkeiten Wertschätzung erfahren haben. Seinen Ursprung sieht er im britischen Empire. Die Schulen sollten die Menschen hervorbringen, die später Rädchen im bürokratischen Verwaltungsapparat werden würden.
„Sie mussten eine gute Handschrift haben, weil alle Daten mit der Hand geschrieben wurden; sie mussten lesen können; und sie mussten in der Lage sein, im Kopf zu multiplizieren, zu dividieren, zu addieren und zu subtrahieren. Sie mussten so austauschbar sein, dass man eine Person aus Neuseeland nehmen und sie nach Kanada schicken konnte, wo sie umgehend einsatzbereit wäre“, erläutern Brynjolfsson und McAffee.
Es sind drei Grundfertigkeiten, die Arbeitnehmer brauchten, um ihren Beitrag zur modernsten Volkswirtschaft jener Zeit zu leisten.
„Wie Mitra deutlich macht, war das Bildungssystem des viktorianischen Englands für die damaligen Verhältnisse gut konzipiert. Aber die Verhältnisse sind heute anders.“
Die Kinder in den Studien von Mitras bilden Teams, nutzen die Technologie, um umfassend nach einschlägigen Informationen zu suchen, besprechen den Lernstoff, und schließlich entwickeln sie neue Ideen, die sich sehr oft als richtig erweisen. Sie erwerben und demonstrieren Fähigkeiten zur Ideenbildung, zu einer breit gefassten Mustererkennung und zur komplexen Kommunikation. Damit scheinen die von Mitra festgestellten, „sich selbst organisierenden Lernumgebungen“ den Kindern die Fertigkeiten beizubringen, die ihnen Vorteile gegenüber digitaler Arbeit geben werden. Die Managementforscher Jeffrey Dyer und Hal Gregersen sprachen mit 500 prominenten Innovatoren und fanden heraus, dass eine unverhältnismäßig hohe Anzahl von ihnen Montessori-Schulen besucht hatte, wo „sie lernten, ihrer Neugierde zu folgen“.
Montessori-Schulen vermitteln den Kindern, Regeln und Anordnungen nicht zu befolgen. Sie sollen eigenmotiviert sein und hinterfragen, was auf der Welt vor sich geht. Sie sollen die Dinge ein kleines bisschen anders gehen. Menschen im neuen Maschinenzeitalter sollten deshalb ihre Fähigkeiten zur Ideenbildung, zur breit gefassten Mustererkennung und zur komplexen Kommunikation verbessern. Stoff-Bulimie sollten in Schulen und Hochschulen verschwinden – also das Prinzip „Reinschaufeln – Auskotzen – Vergessen“.
Digital-Leader werden also nicht aus dem alten Lernsystem kommen. Sollten wir in unserer Panel-Diskussion auf der #NEO15 ansprechen.