Schlagwort: Konzerne

Alles auf einen Blick 🙂 Das NEO15-Team sagt Danke an alle Teilnehmer, Sponsoren, Medienpartner und an unseren Mitveranstalter Oscar.
Machteliten-Hacking für die Digitale Transformation.
Interview mit Gunnar Sohn auf der #neo15
Pressemitteilung der Stadt Bonn.
Das ist nur ein grober Überblick der Veröffentlichungen in den vergangenen sieben Tagen.
Wir sehen uns auf der #NEO16 🙂
Es gibt nicht nur einen Grund oder eine Session, um zur Next Economy Open am 9. und 10. November nach Bonn zu kommen. Ein paar Tickets gibt es noch.

Gespräche zwischen digitalen und analogen Bürgern sind dringend nötig. Denn auf beiden Seiten ist Mainstream in. Andersdenkende werden gesucht aber nicht akzeptiert. Intern wie auch extern gilt die Durchschnittsmeinung mehr als die von Einzelgängern – mit fatalen Folgen für Innovation. Neues muss wachsen können: Eine vertrauliche Schutzzone für ein temporäres Wohlgefühl in hochaktiven Teams.
Digitale Transformation von oben? Dieser Wandel muss von unten kommen. „Wir sollten pragmatischer werden“, Innovationsexperte Jürgen Stäudtner
Deutsches Geld ist altes Geld: Die deutschen Reichen sind mitverantwortlich für die mangelhafte Digitalisierung Deutschlands. Neue Reiche müssen her.
Forschungsergebnisse, Patente, Großkopferte und Materielles: Der deutsche Staat finanziert nach altbackenden Rezepten flügellahme Initiativen. „Wir müssen die Förderung von Unternehmen neu organisieren“, so Stäudtner, der das in seiner Session vertiefen wird.

Warum entwickeln sich digitale Plattformen so schnell in so vielen Sektoren der Wirtschaft?
Digitale Plattformen sind sehr effektive Transaktionskosten-Senker, indem sie einen Austauschort zwischen Anbietern und Käufern etablieren. Besonders deutlich wird das aus Sicht eines Applikations-Entwicklers – am Beispiel des Mobiltelefons verdeutlicht: Mit Hilfe der App- Store-Plattform kann ein Ein-Mann-Unternehmen ohne großen Marketing-Aufwand ein Millionenpublikum erreichen, indem er sein Programm im Store einstellt. Die vom Plattform-Betreiber bereitgestellten technischen Spezifikationen – „Application Programmer Interfaces“ (APIs) und „SoftwarenDeveloper Kits“ (SDKs) ermöglichen eine problemlose Entwicklung der Applikation.
Digitale Plattformen unterliegen starken Netzwerkeffekten: Solange alle anderen Umstände unverändert bleiben, steigt der Nutzen für den einzelnen Teilnehmer und die Endnutzer, je mehr zusätzliche Teilnehmer die Plattform nutzen. Dieses Merkmal kann man als Netzwerkeffekte, Netzwerkexternalitäten oder positive Skaleneffekte auf Nachfragerseite bezeichnen. Je mehr Akteure bereits an der Plattform teilnehmen, umso attraktiver wird sie. Für ein Start-Up, das ein Plattform-Geschäftsmodell betreibt (wie zum Beispiel eine Social Network oder einen Chat-Dienst), ergibt sich aus dieser Tatsache ein für traditionelle Investoren seltsames „Geschäftsgebaren“: Insbesondere in der Frühphase ist schnelles Wachstum und „Outreach“ wichtiger als alles andere! Beispiele wie Facebook zeigen, dass dieses Wachstum für die Bewertung eines Start-Ups entscheidend ist, nicht etwa ein voll entwickeltes Geschäftsmodell. Oft wachsen diese Plattformen, ohne dass die Monetarisierungsfrage abschließend geklärt ist – getreu dem Motto: Wenn eine Plattform erstmal etabliert ist, wird sich schon ein Geschäftsmodell finden.
Das im Kontext von Industrie 4.0 definierte Ziel einer „Losgröße 1“ ist nur dann möglich, wenn die Technologieplattform die im Produkt vorgesehene Individualisierung mit einer hohen Skalierbarkeit verbindet. Digitale Plattformen bieten hierzu die besseren Voraussetzungen, beides zu verbinden, da sie aufgrund ihrer eigenen Logik modular aufgebaute Produkte anstelle hoch integrierter Produkte fördern.
Darüber hinaus sind digitale Plattformen auch eine gute Grundlage für das Innovationsmanagement. Die Stabilisierung und Wiederverwendung der Kernkomponenten führt zu Skaleneffekten und reduziert die Kosten für die Varietät, die durch den zweiten Teil – die Peripherie – zu Verfügung gestellt werden. So wird eine Trennung zwischen relativ stabilen, in längeren Innovationszyklen entwickelten Plattform-Technologien und den wesentlich dynamischeren Peripherie-Technologien möglich.
Grundsätzlich steht der Plattform-Betreiber vor einem Dilemma, das man mit „Kontrolle versus Verbreitung“ beschreiben könnte: Eine sehr offene Plattform kann zwar zu einer schnelleren Verbreitung führen, allerdings verliert er damit Kontrolle über die Entwicklung der Plattform.
Zu geschlossene Plattformen werden vom Ökosystem kaum angenommen, zu offene Plattformen können dazu führen, dass die Prozesse zu langsam sind und kaum Anreize für Investitionen in Innovationen bestehen. Einige Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Plattform-Varianten tendenziell andere Arten von Innovationen hervorbringen: Geschlossene Plattformen tendieren in Richtung Innovation des Plattform-Kerns, offene Plattformen eher in Richtung Innovationen auf der Applikationsebene.
Eher geschlossene Plattformen können leichter gesteuert werden. Dies kann sowohl im Hinblick auf Fragmentierung einer Technologie (wie beim Linux-Beispiel) als auch für die Qualität und Sicherheit von Applikationen wichtig sein. Frühe Gaming-Plattformen sind zum Beispiel daran gescheitert, dass aufgrund mangelnder Qualitätskontrollen durch den Plattform-Betreiber viele schlechte Spiele von Dritten entwickelt wurden, die letztendlich die Kunden vertrieben und zum „Gaming Markt-Crash“ 1983 führte.
„Plattformisierung“ bedeutet nicht unbedingt, dass pro Marktsegment nur eine Plattform existieren kann. Die Anzahl der existierenden Plattformen in einem Marktsegment hängt von vielen Faktoren ab. Es scheint sich jedoch ein Muster heraus zu bilden: „b2c“-Märkte weisen oft eine Art Plattform-Oligopol auf, in dem drei bis fünf Plattformen dominieren – man denke an Mobiltelefone (iOS, Android, Windows, Blackberry), Gaming-Stations (xBox, Wii,Playstation), Kreditkarten (Visa, Master, American Express) oder PCs (Windows, Mac OS, Linux). Kunden nutzen in diesen Märkten zum Teil bewusst mehrere Plattformen neben einander („Multi-Homing“). Experten gehen davon aus, dass sich die Anzahl der Plattformen in b2b-Märkten sogar noch erhöhen dürfte.
Man kann grundsätzlich davon ausgehen, dass geschlossene, machtkonzentrierende Plattformen eine Gegenreaktion im Markt auslösen und zu Alternativen führen. So kann die Forcierung der Android-Plattform als direkte Reaktion auf die Etabliert der sehr geschlossenen iOS-Plattform im Mobiltelefon- Markt verstanden werden. Diese Entwicklung dürfte nicht abgeschlossen sein – weitere, noch offenere Plattformen wie Firefox OS, Cyanogen, Ubuntu for Mobile oder Tizen werden zur Zeit entwickelt.
Es ist darüber hinaus möglich, dass Plattformen in einander verschachtelt sind – also ein Plattform-Kontributor aus der Peripherie selber eine eigene Plattform betreibt, die einen Dienst für erstere Plattform darstellt. Dies ist beispielsweise beim PC der Fall. Hier kann man geradezu von einer „Selbstähnlichkeit“ von Plattformen sprechen: Ein Architekturmerkmal wiederholt sich auf unterschiedlichen Ebenen immer und immer wieder.
Kritiker der Plattformisierung sehen vor allem die Monopolisierung der Märkte und die damit einhergehende Konzentration von Macht als große Gefahr. Sie schauen dabei vor allem auf den „Kern“ der Plattform. In diesem Kontext wird die Attraktivität des Plattform-Baus für Unternehmen noch einmal deutlich. Peter Thiel hat darauf hingewiesen, dass sehr kompetitive Märkte aus Unternehmenssicht nichts erstrebenswert sind, sondern vielmehr temporäre Monopolstellungen durch Technologieführerschaft. Plattformen bieten die Möglichkeit, eine strategische Position einzunehmen und „Extrem-Wettbewerb“ zu vermeiden.
Andere wiederum sehen in der Entwicklung der Plattform-Märkte eine Verstärkung des Wettbewerbs. Thomas Friedman’s These „The World is Flat“ zeichnet ein Szenario der Weltwirtschaft, das letztendlich Hyperwettbewerb vorhersagt, der durch Plattformen angetrieben wird. Dieses Argument bezieht sich vor allem auf die Peripherie. In der Tat sind die Markteintrittshürden für neue Wettbewerber gerade bei relativ offenen Plattformen sehr gering. Bestes Beispiel ist das Angebot in Mobile Phone-App- Stores: Für jede erdenkliche Anwendung gibt es nicht eine, sondern meistens eine Vielzahl von Angeboten. Autoren wie Steven Johnson sehen hierin eine zentrale Innovationsfunktion der Plattformen. So kann eine Plattform für einen Endkunden ein extrem vorteilhafter Markt sein, da in der Peripherie hoher Wettbewerb herrscht und Angebote ggf. von der anderen Seite des „Two-Sided Markets“ subventioniert werden (beispielsweise „freie“ Software für den PC).
Was hat das nun alles mit den Unternehmen in Deutschland zu tun und wie verändern digitale Plattformen die Ökonomie? Antworten gibt Ansgar Baums, Government Relations, Head of Berlin Office HP Deutschland, in seiner NEO-Session.

Professor Martin Kornberger sieht in den kapitalistischen Prinzipien, die Adam Smith im 18. Jahrhundert zu Papier brachte, die Hauptgründe für das höchst dilettantische Management des digitalen Wandels. Es habe sich ein Widerspruch eingeschlichen, der uns selbst im 21. Jahrhundert noch beschäftigt.
„Auf der einen Seite ist der Kapitalismus ein Gesellschaftsentwurf, der auf der Ordnung des freien Marktes beruht. Auf der anderen Seite beruht der Kapitalismus auf Produktivität und Effizienz, die sich nur im Rahmen einer hierarchischen Struktur erzielen lässt“, schreibt Kornberger in seinem neuen Buch „Management Reloaded – Plan B“, erschienen im Murmann-Verlag.
Die Vision einer freien Marktordnung von Adam Smith führt direkt in eine hierarchische Organisationsgesellschaft. Die Hierarchie ist aber der Anti-Markt par excellence. Der Unternehmer, der sich so gerne als Patron des freien Marktes inszeniert, ist in Wahrheit der autoritäre Einpeitscher von zentraler Planung.
„Aller liberalen Rhetorik zum Trotz setzt sich die freie Marktwirtschaft in Wirklichkeit aus unzähligen kleinen Planwirtschaften zusammen“, erläutert Kornberger.
Der wahre Antipode des Marktes sei daher nicht der Staat, sondern vielmehr die hierarchische Organisation und ihr Management.
Als Ergebnis dieser Marktlogik ist der Manager nichts anderes als ein Bürokrat mit dem Büro als Zentrum seines Handelns in Schrift und Wort: Zahlen, Diagramme und Pseudo-Strategien. Er presst die polymorphe Welt in ein zweidimensionales Format und präsentiert seine Wirklichkeit in Prozess-Diagrammen und semantischen Leerformeln des Effizienz-Jargons. Sein Antrieb ist die Beherrschbarkeit und nicht das Chaos oder der Kontrollverlust. Es entstehen Doppeldeutigkeiten, die niemals mit der komplexen Welt harmonisieren. Um seine Interpretationshoheit nicht zu verlieren, schreibt er am laufenden Band neue Reports, Kennzahlen, Indikatoren und beauftragt neue Evaluierungen. Die Führungskräfte der Wirtschaft produzieren in ihrem Kontrollwahn neue Unsicherheiten und Unübersichtlichkeiten, die Organisationen lähmen und zu Verkrustungen führen.
„Wie einen Patienten auf der Intensivstation verkabelt der Manager die Organisation, hält sie mit Messinstrumenten unter Beobachtung und sammelt Informationen, wo und wie er nur kann“, so Kornberger.
Der Schreibtisch, sein Laptop und bunte PowerPoint-Folien sind die Trutzburg des Managers. Jede Anstrengung zur Optimierung des eigenen Ladens folgt den Kontroll-Illusionen seiner Wirklichkeitsreduktion: Führungsphilosophien, Motivationstheorien, flache Strukturen, Empowerment, Innovation Labs oder firmeninterne Denkfabriken sind die Placebo-Medikamente seiner Planungsbürokratie.
Manager sollten in der Netzwerk-Ökonomie eher wie Architekten arbeiten, fordert Kornberger, Professor für Strategie und Organisation in Kopenhagen.
In einer vernetzten Wirtschaft liegt die Aufgabe des Managers eher bei der Bereitstellung einer Infrastruktur, die Dritten erlaubt, miteinander zu arbeiten, ohne auf einen über ihnen stehenden Manager als allwissenden Koordinator angewiesen zu sein.
“Der Netzwerkmanager gleicht eher einem Diplomaten, der Beziehungen zwischen Systemen mit Eigensinn und -logik auslotet, als dem Ingenieur, der die Zahnräder einer Maschine festschraubt“, schreibt Kornberger.
Die Teilnehmer der Next Economy Open haben die Möglichkeit, in einer Session mit Professor Kornberger über Sabotage-Möglichkeiten des Managements zu sprechen.
Kornberger, der als Gastprofessor an der Edinburgh University Business School tätig ist, wird live in die Session geschaltet.
Sabotage ganz anderer Art: VW-Ingenieure gestehen Installation von Manipulations-Software.

Die Herausforderungen an Organisationen sind vielseitig: Prozesse werden komplexer, die Informationsdichte steigt, Entscheidungsfindung ist schneller gefordert. Erstmalig arbeiten vier Generationen mit unterschiedlichem Sozialisations- und Werte-Hintergrund zusammen, die Krisenwahrnehmung und Kommunikationsintensität nehmen zu. Die Zukunft gehört in Unternehmen und Führung der Vernetzung. Selbst lernende intelligente Netzwerke können aus kollektiven Ressourcen schöpfen, Komplexität managen und Impulse zur kreativen
Problemlösung liefern. Unterstützung und damit Gesunderhaltung von Führung wird künftig möglich sein.
Wie geht das konkret? Mit einem intelligenten Assistenzsystem für Führungskräfte. Ein System, das dialogisch, vernetzt und smart arbeitet. Dieses System wird gerade entwickelt – der erste Programmierungs-Sprint ist abgeschlossen: LEADA wird alle Funktionen liefern, die digitale Assistenzsysteme bereits heute schon in anderen Bereichen bereitstellen, wie Information, Motivation, Messung und Analyse, Vernetzung und Optimierung. „Führung findet dann nicht mehr einsam, sondern vernetzt, dialogisch und integriert statt“, so Frank Kübler, CEO der 2015 gegründeten LEADA AG. In seiner Session will Kübler Einblicke in und Erfahrungen mit Digital Leadership geben und darüber diskutieren, wie weit Unternehmen bei diesem Thema sind und wo die Herausforderungen, Chancen und Grenzen vernetzter Führung liegen.
Frank Kübler ist Betriebswirt, geschäftsführender Gesellschafter der SYNK GROUP und SYNK Business School sowie CEO des 2015 gegründeten Start-Ups LEADA. Vor seiner unternehmerischen Tätigkeit war er in unterschiedlichen Funktionen in Führungspositionen in Banken und Unternehmensberatungen tätig. Die Möglichkeiten der Digitalisierung hat er frühzeitig durch die prämierte digitale HR Development Plattform SYNLIFE in die Qualifizierungsprozesse seines Unternehmens integriert.

Der vor ein paar Tagen verstorbene und von mir sehr geschätzte Literaturkritiker Hellmuth Karasek schrieb 1990 in einem Spiegel-Artikel, dass die Montage von Fundstücken zu den häufigsten Kunsttechniken zählt: Walter Kempowski, Georg Büchner, Thomas Mann, Alfred Döblin, Arno Schmidt, Joseph Roth, Peter Weiss oder Karl Kraus: Sie alle haben abgeschrieben und dazu das Abgespickte zwecks Tarnung auch noch leicht redigiert:
„Alle haben sie plagiiert, spätestens seit Büchner mit 23 Jahren mitten in der Sünde des Abschreibens starb, der in seinen ‚Woyzeck‘ teilweise wörtlich zwei gerichtsmedizinische Gutachten einarbeitete und in seinem Stück ‚Dantons Tod‘ wörtlich Redeprotokolle der Französischen Revolution zitierte. Ohne Quellenangabe“, so Karasek.
Viele Erzähler, Maler, Musiker der Moderne seien nicht Erfinder, sondern Finder. Und das gelte nicht erst für die Moderne. Shakespeare etwa war so ein Ausplünderer, sein „Hamlet“ wäre heute vor einem Plagiatsprozess nicht sicher. Der große österreichische Volksdramatiker Johann Nepomuk Nestroy habe keines seiner über 80 Stücke selber erfunden – es sind meist Bearbeitungen französischer Possen, deren Plot er ungeniert übernahm.
Auch in der Wirtschaft sind die Kopisten, Kombinierer, Plagiatoren und Imitatoren eine unverzichtbare Quelle des Fortschritts und Wohlstandes. Darauf verweist der FAZ-Redakteur Rainer Hank. Die Wirtschaft lebt vom Kopistentum. Patentrecht und Copyright werden häufig als Waffe gegen Konkurrenten missbraucht.
Ergebnis des deutschen Kopistentums: Made in Germany
Längst haben die Wirtschaftshistoriker herausgefunden, dass rückständige Volkswirtschaften mit dem Abkupfern existierender Technologien ihr Wachstum befeuern: Aufholen durch Nachahmen. Japan und Korea haben diese Strategie nach dem Zweiten Weltkrieg enorm genutzt. Häufig spielt der Zufall dabei eine große Rolle: Bei einem flüchtigen Besuch in amerikanischen Supermärkten sahen japanische Autofirmen-Vorstände, wie dort die Ware automatisch nachgefüllt wurde. Das war die Geburt der Just-in-time-Produktion. Besonders die deutsche Industrie, die sich heute mit Schutzrechten gegen die digitale Welt abschottet, konnte ihre Rückständigkeit Ende des 19. Jahrhunderts nur durch kluge Imitation kompensieren.
„Wie heute die Chinesen, haben damals deutsche Maschinenbauer ausländische Erfolgsmodelle in großem Stil eingekauft: Sie zerlegten die Maschinen in England und bauten sie im Siegerland oder im Schwäbischen neu auf. Durchs Nachmachen zu Erfahrung gekommen, haben die Deutschen sodann ihre Maschinen billig ins Ausland verkauft“, berichtet Hank.
Er verweist auf ein besonders dreistes Kopistenwerk in Solingen. Dort wurden minderwertige Messer aus Gusseisen hergestellt und mit dem Stempelaufdruck „Sheffield“ veredelt – das galt damals als Markenzeichen der englischen Messerproduktion.
„Ironie der Geschichte: Als Abwehrmaßnahme zwang England Deutschland das Label ‚Made in Germany‘ auf, damit man die mindere Ware erkennen sollte. Aber den Deutschen gelang es, das Stigma zum Qualitätssiegel umzuschmieden“, so der „FAZ“-Redakteur.
Wenn man sich anschaue, welche unfassbar wichtige Wirkung Generika in der Medizin haben, etwa für bei der Therapie von Aids-Patienten, umso skandalöser ist es, wenn Menschen mit Patenten der Zugang zur Heilung verweigert wird, kritisiert Dirk von Gehlen, Autor des Buches „Lob der Kopie“, erschienen im Suhrkamp-Verlag.
Über den Propagandabegriff der „Raubkopie“
Ebenso fragwürdig ist die Kriminalisierung des digitalen Kopierens, die in den Urheberrechtsdebatten ständig hochkocht:
„Die digitale Kopie, das Verbreiten von identisch duplizierten Inhalten, nahezu ohne Kosten, ist eine historische Neuerung und zieht eine Veränderung nach sich, die man vergleichen kann mit dem Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit“, erklärt von Gehlen.
Schon das Wort „Raubkopie“, von Musik- und Filmindustrie in „abschreckenden“ Filmchen als Propagandavokabel inflationär zum Einsatz gebracht, ist juristisch unsinnig.
„Es ist eine sachliche Feststellung, dass nichts geraubt wird. Es wird nicht weggenommen. Nach dem Strafgesetzbuch ist der Raub so definiert, dass man unter Gewaltanwendung einen beweglichen Gegenstand von A nach B bewegt. Wenn ich eine Datei verschicke, ist es weder mit Gewalt verbunden, noch bewegt sich der Gegenstand von A nach B. Er verbleibt nämlich da, wo er war. Diese Erkenntnis muss allen Urheberrechts-Diskussionen zugrundeliegen, wenn man sie denn zielgerichtet führen will“, fordert von Gehlen. Was heißt heute noch Original und was Kopie bei einem Medium, „in dem alles auf dem Prinzip der Kopie basiert“, fragt sich Urs Gasser im Interview mit Dirk von Gehlen (abgedruckt im von Gehlen-Buch „Lob der Kopie“ S. 54 ff.): „Ich glaube, durch die Digitalisierung werden so viele Grenzen unscharf, dass wir da enormen Gesprächsbedarf haben – zwischen unterschiedlichen Anspruchsgruppen, aber auch zwischen den Generationen.“ Hinter die Kultur des Teilens und Austauschens werde man nicht mehr zurückgehen können. „Die Kultur ist in unserer DNS enthalten. Wie junge Menschen heute aufwachsen und wie wir kommunizieren, basiert auf diesem Prinzip“, so Gasser.
Wenn digitale Kopien ohne große Aufwendungen dupliziert werden können, müssen wir diese Kulturtechnik des Kopierens und Teilens wie Software betrachten. Der Begriff des Originals läuft in der digitalen Welt ins Leere. Vielleicht könnten wir das am ersten Tag bei den Barcamp-Sessions als Thema aufnehmen und mit der Wirtschaft diskutieren. Nur so eine Idee.

Der VW-Betriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh fordert, dass sich nicht nur die Struktur, sondern auch die Führungskultur des Autokonzerns ändern muss. Man brauche ein Klima, in dem Probleme nicht versteckt, sondern offen an Vorgesetzte kommuniziert werden. „Wie wahr“, kommentiert FAZ-Redakteur Carsten Knop. Wahr sei darüber hinaus, dass auch Osterloh Teil eines Systems war, das exakt die Kultur hat entstehen lassen, die er nun kritisiert. „Winterkorn hatte einen Hofstaat von Menschen um sich, die von seiner Karriere abhingen. Osterloh gehört dazu. Insofern sagt Osterloh zwar das Richtige, doch sollten seine Kollegen bei der IG Metall darüber nachdenken, ob nicht auch ihr Spitzenvertreter im Hause Platz für einen Neuanfang machen sollte“, fordert Knop und trifft ins Schwarze.
Thomas Sattelberger geht sogar noch ein paar Schritte weiter:
„Man muss Mitbestimmung anders diskutieren. Wir sollten im Grundgesetz das Recht eines mitarbeitenden Menschen auf Meinungsäußerung verankern“, fordert Sattelberger im Vorfeld der Next Economy Open in Bonn.
Was würde dann passieren?
„Ich habe verfassungsrechtlich verbriefte Rechte als Unternehmens-Bürger. Man braucht diesen Flankenschutz, um eine Demokratisierung in Unternehmen zu erreichen“, erläutert der ehemalige Telekom-Personalvorstand.
Wir erleben geradezu eine Explosion an neuen Möglichkeiten der Beteiligung durch die Digitalisierung, da kann die Wirtschaftswelt nicht hinterherhinken.
„Letztlich ist mehr Pluralismus und Unterschiedlichkeit in jeder Organisation gefragt, um auf das Konto der Wetterfestigkeit einzuzahlen“, betont Sattelberger.
Nur so würde man die geschlossenen Kasten der Eliten durchbrechen. Der Kybernetiker William Ross Ashby habe das schon vor längerer Zeit auf die Agenda gesetzt. Die Varietät und Komplexität einer Organisation müsse mindestens so ausgeprägt sein wie die Außenwelt. „Nur so bleiben Unternehmen lebendig“, resümiert Sattelberger, der am ersten Tag der Next Economy Open am 9. November die Keynote halten wird. Thema: “Unternehmensbürger, digitale APO und Offline-Rebellen – Zusammen für Pluralismus und Transformationsfähigkeit von Organisationen”.

Deutschland schneidet als netzökonomisches Gründerland leider immer noch schwach ab:
“Nur rund acht Prozent unserer Unternehmensgründungen beschäftigen sich mit Technologien. Wir sind eher ein Gründerland für Tätowierstuben”, moniert Thomas Sattelberger, Ex-Personalvorstand der Telekom, im ichsagmal.com-Gespräch.
Innovationen können so nicht entstehen. Sie entstehen erst einmal unkeusch.
“Ich muss ein gewisses Maß an Schamlosigkeit bei Technologieprojekten akzeptieren, bevor es zur Regulierung kommt. Ich muss erst einmal Innovationen gedeihen lassen. Man kann Anbieter wie Uber kaputtregulieren. Dann fehlen uns aber die Regelbrecher, die Neues hervorbringen”, sagt Sattelberger.
Also erst einmal Freiräume schaffen und technologische Spontan-Vegetation tolerieren.
“Die Normierung kommt in unserem Land allemal”, bemerkt Sattelberger, der auf der Next Economy Open die Keynote hält. Thema: “Unternehmensbürger, digitale APO und Offline-Rebellen – Zusammen für Pluralismus und Transformationsfähigkeit von Organisationen”.