
Professor Lutz Becker von der Hochschule Fresenius ist schon eifrig dabei, Sessions für die diesjährige Next Economy Open auf die Beine zu stellen. Und da gibt es schon einen beträchtlichen Rücklauf.
Was bei der Next Economy Open und anderen Veranstaltungsformaten bei den Session-Gebern und aus Zeitgründen auch bei den Organisatoren ein wenig auf der Strecke bleibt, ist die nachhaltige Wirkung der NEOx vor, während und nach der Veranstaltungsphase.
Der Soziologe André Kieserling hat zu diesem Themenkomplex im Wissenschaftsteil der FAZ einen sehr wichtigen Beitrag geschrieben über die Notwendigkeit von intelligenten Tagungsorganisationen für die geisteswissenschaftliche Forschung. Letztlich gilt das für alle Disziplinen.
So verweist er auf Überlegungen, die die amerikanische Ethnologin Margaret Mead bereits gegen Ende der sechziger Jahre publizierte. Ihr Buch beginnt mit einer Kritik der wissenschaftlichen Großtagung, an der sie zwei Schwächen hervorhebt.
„Die eine liege im Vorrang der schriftlichen vor der mündlichen Kommunikation: Es würden Texte, die nach Länge und Dichte eigentlich für den Buchdruck bestimmt seien, einem zugleich wehrlosen und überforderten Publikum vorgelesen, mitunter gefolgt von einer Kritik des Vortrags, die ihm an Dichte, und oft auch an Länge, keineswegs nachstehe. Gebunden an diese Vorlagen, könnten die Redner aber weder aufeinander noch auf das Publikum reagieren. Eine zweite Schwäche liege darin, dass die Einladungspolitik einer Art von Proporzdenken folge. Die Wissenschaftler würden nicht als lernfähige Individuen eingeladen, sondern als Gruppenvertreter, die dann etwa ihr eigenes Fach oder die Lehrmeinung ihrer eigenen Schule zu repräsentieren hätten. Belohnt werde damit aber gerade nicht die Offenheit des Urteils, sondern die Treue zu einer bereits eingenommenen Position. Kein Wunder, so Mead, dass es dann oft bei der Wiederholung von schon Bekanntem bleibe und die offiziell doch gerade gesuchten Annäherung der verschiedenen Lager nicht recht vorankomme“, erläutert Kieserling.
Kleine Konferenzen organisieren
Mead plädiert für kleine wissenschaftliche Konferenzen. Vorteil: Dort gibt es kein passives Publikum und man steigt direkt in das Gespräch ein. Aber auch diese Form der wissenschaftlichen Tagung hat nach Ansicht von Kieserling Schwächen:
„Als Wissenschaftsgeselligkeit mag sie das gegenseitige Kennenlernen der Personen und vielleicht auch ihre Gewöhnung an fachliche oder nationale Besonderheiten erleichtern, aber sie hat keine greifbaren Erträge, und damit sind auch breitere Rückwirkungen auf den Forschungsprozess ausgeschlossen.“
Die kleine Gruppe um den Philosophen Hans Blumenberg umging dieses Problem, indem sie Mündlichkeit und Schriftlichkeit auf intelligente Weise verband. Die eigentliche Innovation der berühmten Tagungsreihe „Poetik und Hermeneutik“ lag in der Idee der ungehaltenen Rede.
„Die Vorträge der Tagungsteilnehmer wurden nicht vorgelesen, sondern vorher an alle Teilnehmer verschickt. Die Zusammenkünfte selbst waren als Diskussion über gemeinsame Lektüren und als Vorbereitung einer gemeinsamen Publikation angelegt, und das hat sie davor bewahrt, sich in bloßer Geselligkeit zu erschöpfen. Zugleich konnten diese ‚Vorträge‘, entlastet von der Rücksicht auf ein anwesendes Publikum, von einer Länge und Gründlichkeit sein, die man keinem Vortragenden jemals gestatten würde, und das wiederum kam dem Niveau der Diskussionen zugute“, führt André Kieserling aus.
Blumenberg war ein begnadeter Wissenschaftsorganisator und die Tagungsbände „Poetik und Hermeneutik“ haben die Geisteswissenschaften dauerhaft und nachhaltig beflügelt. Wie müsste man das heute organisieren?
Essentiell ist auf alle Fälle die Kunst der digitalen Dokumentation mehr oder weniger in Echtzeit: Kuratieren, dokumentieren, in Echtzeit reagieren, Ereignisse im Kontext einordnen, schnelle redaktionelle Aufbereitung, Einbettung von Fotos und Videos, Social Web-Dienste bedienen, Live-Videos auf Twitter begleiten und, und, und.
Also all das, was Annette Schnwindt auszeichnet.
Wir sollten sie für die #NEO19x gewinnen und dafür auch das nötigen Budget vorhalten. Mit der Next Economy Open schaffen wir virtuelle und reale Orte für Gespräche,
Debatten, Disputationen und Denkanstöße. Jetzt müssen wir für die notwendige Nachhaltigkeit, für die Anschlussfähigkeit in der Kommunikation und für die Herausbildung einer exzellenten Community sorgen 🙂